Nomenklatur:

Zoraki 906: Die hier gezeigten Pistolen im Kaliber 9mm PAK mit 6 Schuss Kapazität

Zoraki 807: Die selbe Pistole im Kaliber 8mm knall mit einer Kapazität von 7 Schuss

Zoraki 2906: Zweite und neuere Version der 906 mit massiverem Verschluss

Zoraki Stalker 906: Die hier gezeigte Pistole im Kaliber 5,6/16 für Bolzenschussgeräte (hauptsächlich für den polnischen Markt)

Soweit ich das recherchieren konnte heißt die Variante für Gummigeschosse (Traumatic Waffe) ebenfalls lediglich "Zoraki 906"

 

Zoraki 906 Schreckschusspistole (PTB-946)

Die Zoraki 906 mit Umarex Schalldämpfer, nach wenigen Schüssen mit der Wärmebildkamera meines CAT Smartphone fotografiert.
Die Zoraki 906 mit Umarex Schalldämpfer, nach wenigen Schüssen mit der Wärmebildkamera meines CAT Smartphone fotografiert.

Hier geht es nicht um eine Produktvorstellung, denn das machen "Influencer" schon zur Genüge. Es geht darum, wie eine kleine billige Gaspistole, ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen sein kann.

Vermutlich ist die Zoraki 906 die meist verkaufte Schreckschusspistole überhaupt in Deutschland. Das hat zum einen damit zu tun, dass das Preis-Leistungsverhältnis gut ist und der Hersteller (Atak-Arms Türkei) eine anständige Qualität liefert. Aber vor allem auch damit, dass sich diese kleine Pistole gut zum Führen und zur Selbstverteidigung eignet. Im Gegensatz zu vielen anderen türkischen Schreckschusspistolen verfügt die 906 über eine Sicherheitsrast, die den Hammer nicht auf dem Schlagbolzen aufliegen lässt. Sie hat auch den Ruf sehr zuverlässig zu sein, womit viele Schreckschusspistolen bekanntlich Probleme haben. Relevant ist natürlich auch, dass ihr Design gut gelungen ist. Vermutlich lehnt es sich an die Taurus TCP an.

 

Wenn man keine technische, sondern eine geschichtliche Waffensammlung hat, freut man sich immer, wenn die Waffen gesellschaftliche oder geschichtliche Ereignisse widerspiegeln. Und noch interessanter wird eine Waffe für einen Sammler, wenn das jeweilige Einzelstück eine Geschichte hat. Das Sammeln deutscher Armeewaffen ist für viele der Einstieg in eine roten WBK. Unsere wechselvolle Geschichte spiegelt sich dort z.B. in den Beschusszeichen wieder (Kaiserkrone, "Nazi-Adler", Wehrmachtsabnahme, Bundesadler, DDR Beschuss...). Aber auch in solchen Dingen wie der Vereinfachung der Herstellung, als die Produktionszeit für Waffen immer knapper wurden, oder der Einsparung bestimmter Werkstoffe in der Kriegszeit. Viel wichtiger sind natürlich auch die Meilensteiner der Waffentechnik, z.B. mit der Walther PP oder P38. Dass sich geschichtliche Ereignisse auch in den Schreckschusswaffen wieder spiegeln, sollte man nicht meinen. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, aber ich erzähle euch dennoch von meiner Zoraki 906 mit PTB-Zulassung. Und vielleicht stimmt Ihr mir dann zu, dass diese Waffen etwas zu erzählen haben und dass wir daraus etwas lernen können.

 

Die Pistole hat eine Geschichte zu erzählen

Ihre Geschichte begann, als die Waffengeschäfte im Jahr 2015/2016, wegen der "Flüchtlingskrise", leer gekauft wurden. Das war in diesem speziellen Fall in einer Universitätsstadt mit relevanten Kriminalitätsproblemen. Ein altes Ehepaar wollte sich bewaffnen und ging in ihr örtliches Waffengeschäft, um sich beraten zu lassen. Sie hatten von Waffen nicht die geringste Ahnung und kauften das, was damals viele kauften. Es war eine Zoraki 906 Schreckschusspistole. Das Ehepaar war mit der Bedienung der Pistole völlig überfordert und vermutlich lag sie nach dem Kauf einfach nur an der Garderobe rum. Nach wenigen Jahren ereigneten sich erneut einige heftige und bundesweit bekannt gewordene Gewalttaten in ihrer Stadt. Ihre Sorgen, ebenfalls Opfer zu werden, stiegen wieder. Da ihnen bewusst geworden ist, dass die Anschaffung einer Schreckschusspistole ein Fehler war, wollten sie sich erneut im örtlichen Waffengeschäft beraten lassen. Und das war der Moment, in dem ich sie traf. Ich war nämlich mal wieder zu Besuch in dieser Stadt und klapperten die örtlichen Händler nach interessanten Sammlerwaffen ab. Der Mann saß auf einem Stuhl und war geistig kaum noch in der Lage das Gespräch mit dem Verkäufer zu führen. Er war offenbar schon etwas dement. Seine Ehefrau versuchte nun ihre damals gekaufte Zoraki 906 in etwas Praktischeres umzutauschen, das nicht so kompliziert in der Anwendung war. Die Pistole war in diesem Moment übrigens noch geladen, mit einer Kartusche in der Kammer. Aber der Verkäufer lehnte einen Umtausch, oder eine Inzahlungnahme ab. Da genau diese Pistole damals für mich technisch relevant und interessant war, bot ich der Frau an, sie ihnen abzukaufen. Wenn ich mich noch richtig erinnere kam damals gerade die neuere Version mit der PTB-Nummer 1012 auf den Markt. Weil von der Polizei einige illegal konvertierte Stücke mit der PTB-Nummer 946 sichergestellt wurden. Mit dem Geld kaufte sie dann zwei sehr hochwertige Pfeffersprays und wir gingen alle zufrieden aus dem Laden.

 

Was kann man jetzt aus meiner kleinen Geschichte lernen?

Die meisten Waffenhändler, die ich kenne, sind sehr verantwortungsbewusst. Sie würde einem so alten Ehepaar niemals zu einer Schreckschusspistole raten. Der besagte Händler steht moralisch aber ganz wo anders und ich traue ihm alles zu, um ein paar Euro mehr zu verdienen. Ehrlich gesagt weiß ich aber auch nicht, was damals den Ausschlag für diese Kaufentscheidung von dem Ehepaar gegeben hat. Waffenhändler sind nur eine mögliche Quelle zur Informationsgewinnung. Meist werden sie die besten Ansprechpartnern sein und sie wissen idR. auch wesentlich mehr über das Waffenrecht, als der durchschnittliche WBK-Inhaber mit Sachkunde. Aber auch sie verfolgen eigene Interessen, und dazu gehört nun mal, dass sie so viel wie möglich verkaufen möchten.

 

Pistolen sind mit ihrem Selbstlademechanismus komplex und eignen sich meist nicht für Personen, die absolut keine Erfahrung mit Schusswaffen haben. Revolver sind hier wesentlich sinnvoller. Das alte Ehepaar hätte im Notfall mit Sicherheit nicht mal daran gedacht, die Pistole zu entsichern und den Hahn zu spannen.

 

Achte auf solche Dinge bei deinem eigenen Händler, um besser einschätzen zu können, was er für einen Charakter hat. Irgendwann brauchst Du vielleicht mal etwas, von dem Du selber nicht viel verstehst, dann musst Du wissen ob man sich auf seine Beratung verlassen kann.

 

Eine private Bewaffnung sollte man anschaffen und planen bevor es schwierige Zeiten und leer gehamsterte Geschäfte gibt.

 

Ein weiterer Faktor, den meine Zoraki 906 wieder spiegelt ist der waffenrechtliche Aspekt. Für Menschen die sich verteidigen wollen, legt der §19 WaffG eine sehr hohe Messlatte an. Dort steht, als Voraussetzung für eine scharfe Verteidigungswaffe, die Formulierung, dass man "wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch Angriffe auf Leib oder Leben gefährdet" sei muss. Damit ist klar, dass der normale Bürger kein Recht auf eine scharfe Schusswaffe für diesen Zweck zugesprochen bekommt. Ich habe schon viel über die gesellschaftliche Bedeutung von Schreckschusswaffen geschrieben (HIER und HIER). Aber genau diese Pistole erzählt die Geschichte von zwei ganz normalen Bürgern, die Angst haben. Sie hatten zweifellos nicht viel Geld und waren nicht gewillt und auch nicht in der Lage, viel Zeit und Geld in ein sportliches oder jagdliches Bedürfnis zu investieren, um damit eine Schusswaffe bedürfnisfremd zur Selbstverteidigung zu erwerben. Vielleicht wollten sie auch gar keine scharfe Schusswaffe? Und genau daher kommt meine immer wiederholte These, dass diese Waffen so relevant für unsere Geschichte sind. Ich finde die Geschichte meiner kleinen und billigen Zoraki "Gaspistole" jedenfalls interessanter als die von vielen Behörden- oder Armeewaffen.

Die Zoraki 906 Pistole spiegel Kriminologie und Gesetzgebung wieder

Bei illegal konvertierten Schreckschusswaffen muss man zuerst bedenken, wer die Täter sind. Das sind zum einen Menschen die zur Selbstverteidigung eine scharfe Schusswaffe besitzen wollen, aber auf legalem Weg keine bekommen. Bei dieser Personengruppe scheitern fast alle Umbauversuche, weil es an Wissen und technischen Geräten fehlt. Zum Anderen gibt es Personen, die illegale Konvertierungen in größerer Stückzahl vornehmen und die Waffen an Kriminelle weiterverkaufen. Kriminelle, die selber Schreckschusswaffen für Straftaten konvertieren, gibt es in der Realität eigentlich überhaupt nicht. Menschen die Tankstellen überfallen, Drogen verkaufen, oder Frauen sexuell ausbeuten, sind ja meist nicht für Ihre handwerklichen Fähigkeiten bekannt. Festhalten muss man auch, dass durch die immer ausgereifteren technischen Vorgaben für die Herstellung, nur noch sehr wenige Menschen überhaupt in der Lage sind, Schreckschusswaffen illegal zu konvertieren. Ich gehe davon aus, dass durch die neuen EU Vorgaben, die konvertierten Schreckschusswaffen auf dem Schwarzmarkt deutlich weniger werden.

Die Zoraki 906 mit der PTB Nummer 946 hat noch keine Schwächung auf der rechten Seite vom Kartuschenlager. Sie hat lediglich eine verdeckte auf der linken Seite.
Die Zoraki 906 mit der PTB Nummer 946 hat noch keine Schwächung auf der rechten Seite vom Kartuschenlager. Sie hat lediglich eine verdeckte auf der linken Seite.

Bekannt wurde vor allem ein Youtubekanal, der illegal konvertierte Zoraki und Röhm Waffen gezeigt hat (Den Kanal gibt es nicht mehr). Wegen dieser Umbauten, auf die ich nicht im Detail eingehen werde, wurde die PTB Zulassung 946 nicht verlängert und der Hersteller musste bei der Bauart nachbessern. Es folgte die Zulassung mit der Nummer 1012, die sich meines Wissens nach, nur durch größere Schwächungen auf den Seiten vom Kartuschenlager unterscheidet. Eine erfolgreich konvertierte PTB-1012 Variante habe ich selber noch nie gesehen.

Meine Zoraki 906 mit der PTB-Nummer 946 hat eine recht massive, etwa 2mm starke, Laufsperre. Sie ist vorne spitz und beginnt ca. 4mm tief im Lauf. Eine fast schon geniale Forderung der PTB war bisher, dass die Seelenachse des Gaslaufes und die des Kartuschenlagers zueinder versetzt sein müssen. Das ist hier auf diesem Foto zu erkennen. Selbst ein erfolgreicher Aufbohrversuch würde es nicht ermöglichen, aus so einer Waffe Kugelpatronen zu verschießen. Dieser Versatz ist jetzt auch für EU Schreckschusswaffen vorgeschrieben. Ob das aber auch in allen Mitgliedsländern zwingend umgesetzt wird, entscheidet jedes Land selber.

Die Schwächung links am Kartuschenlager der PTB 946 Version soll gewährleisten, dass die Waffe bei einem Aufbohrversuch, oder einem Entfernen des Laufes, auseinander bricht. Zusätzlich soll das dünnwandige Lager das Verschießen von Patronenmunition verhindern. Der Gasdruck im Lager steigt beim Verschießen von Geschossen erheblich mehr an. Ein so dünnwandiges Patronenlager wird dem Druck nicht standhalten.

Interessant ist aber, dass es einige "Bastler" wirklich geschafft haben, die PTB-946 Variante illegal zu konvertieren. Dazu muss man aber auch sagen, dass hierfür umfangreiche Fähigkeiten und industrielle Maschinen notwendig sind. Beachtet auf diesem Foto, dass der hintere Rand vom Kartuschenlager keine Schwächungen aufweist. Bei der neueren PTB-1012 Variante erkennt man an genau dieser Stelle Schwächungen auf beiden Seiten, die bis ganz nach hinten reichen.

Die obere Zoraki 946 hat die PTB Nummer 946 und eine seitliche Schwächung am Kartuschenlager. Das unten ist eine ältere Version der Zoraki 906, ohne PTB-Zulassung und ohne Schwächungen.
Die obere Zoraki 946 hat die PTB Nummer 946 und eine seitliche Schwächung am Kartuschenlager. Das unten ist eine ältere Version der Zoraki 906, ohne PTB-Zulassung und ohne Schwächungen.

Das hier links ist der Gaslauf einer älteren Version ohne PTB-Zulassung. Die Variante links entspricht auch nicht den Vorgaben der EU Richtlinie 2019/69, vor allem weil sie keinen Versatz zwischen Laufseelenachse und Kartuschenlager hat. Sie besitzt eine zweigeteilte Laufsperre. Ca. 10mm tief im Lauf sitzt ein quer verlaufender Stahlstift (linker Pfeil). Dahinter ist eine Stahlplatte eingesetzt (rechter Pfeil). Zusätzlich ist der Lauf seitlich abgeflacht (auf dem Foto schwach zu erkennen). Vermutlich werden Teile des Laufes auch für die Produktion der Zoraki 906 für Gummigeschosse, im Kaliber 9mm PAK-Traumatic, verwendet. Denn derartige Abflachungen sind meist der einzige Schutz gegen illegale Konvertierungen bei "Traumatic" Waffen. Diese Waffen werden hauptsächlich für den russischen und süd-amerikanischen Markt hergestellt.

 

 

Ich habe übrigens auch gerade eine EU 2019/69 konforme Zoraki 906 auf dem Schreibtisch liegen (also frei verkäuflich in Deutschland). Die Variante mit der PTB Nummer 1012 ist genau gleich aufgebaut.

Das Kartuschenlager der EU 2019/69 konformen Variante der Zoraki 906 hat erheblich mehr Schwächungen, als die PTB-946 Variante. Das soll nicht nur ein "Aufbohren" verhindern, sondern auch einen Lauf Austausch, oder das Einsetzen eines Futterlaufes. Die Mündung und die Laufsperre sind genau so aufgebaut, wie auf dem Foto der PTB-946 Version (weiter oben).