Prolog:
Es gibt unter den Waffenbesitzer einige, die Heckler & Koch nicht mögen. Sie denken, dass es bei den vielen Behörden- und Militäraufträgen nicht mir rechten Dingen zugeht. Ich selber habe aber eine andere Meinung über diese Firma. Ich habe immer wieder gelernt, dass ich mich auf die Waffen aus Oberndorf blind verlassen kann. Und zwar absolut immer. Wenn ich auf die Entwicklungen von H&K schaue fällt mir auch immer auf, wie mutig und innovativ man dort gewesen ist. Ob mit Rollenverschlüssen, Gasentlastungsrillen in den Patronenlagern (gab es zuerst beim Gerät 06H), einem drehbaren Stoßboden für Zentral- oder Randzünder (HK P4 Pistole), die Gasbremse der P7, oder das G11 Sturmgewehr. Die Liste ließe sich fast endlos weiterführen. Ich habe vor den Mitarbeitern von H&K großen Respekt und ich gönne ihnen jeden Behördenauftrag. Vor allem, wenn dabei sogar der bekannteste Pistolenhersteller der Welt ausgestochen wird, obwohl er Dumpingpreise anbietet.
Nomenklatur:
VP70: Vollautomatische Militärvariante mit Anschlagschaft
VP70 M: Vollautomatische Militärvariante mit Anschlagschaft
VP70 Z: Halbautomatische Zivilvariante
VP70 ZH: Halbautomatische "Zivil Holster" Variante mit Anschlagschaft
Heute habe ich eine ganz besondere Pistole vor mir liegen und ich bin stolz darauf Euch diese seltene Waffe zeigen zu können, die H&K VP70 (auch VP70M genannt). Wie auch bei meinem Bericht über den extrem seltenen Stasi Tränengas Schlagstock, muss ich aber erst demjenigen danken der es möglich gemacht hat, dass ich die Pistole begutachten kann. Dass man derart seltene Waffen vorstellen kann ist nicht selbstverständlich. Ich kenne die VP70 natürlich schon lange und vor vielen Jahren habe ich auch schon mal eine VP70Z geschossen, aber damals waren mir die technischen und geschichtlichen Besonderheiten dieser Pistole nicht bewusst.
Wo soll ich anfangen Euch etwas über die VP70 zu erzählen? Ich würde am liebsten damit anfangen, wie einfach die Pistole konstruiert ist. Sie ist nicht nur gut konstruiert, sondern sie ist genial konstruiert und vermutlich die beste Selbstladepistole, um sie Menschen ohne jede Ausbildung zu geben. Und genau dafür war sie eben auch gedacht. Aber ich fange natürlich chronologisch an.
(Foto links: Bekannt wurde die VP70 Ende der 90er Jahre wieder durch das Computerspiel Resident Evil).
"Volkspistole" oder "vollautomatische Pistole"?
Umgangssprachlich nennt man sie Volkspistole. In der Fachwelt wird meist gesagt, dass das falsch wäre und es vollautomatische Pistole bedeuten soll. Ich habe hier aber sehr den Eindruck, dass nur jeder vom Anderen abgeschrieben hat. Im wichtigsten Fachbuch zum Thema ("HK Heckler & Koch" von Kersten und Schmid) wird sie nämlich sehr wohl und ausdrücklich als Volkspistole bezeichnet. Und wenn man dazu noch überlegt, dass sie von genau den Ingenieuren entwickelt wurde, die bereits im 2. Weltkrieg die Mauser Volkspistole bauen wollten, erscheint es mehr als logisch, dass ich eine "Volkspistole" vor mir liegen habe. Die Tatsache, dass H&K mit der VP9 erneut eine Pistole Volkspistole genannt hat (in Deutschland ist sie tatsächlich englisch bezeichnet mit SFP9 "striker fired pistol"), lässt bei mir persönlich kaum mehr Zweifel am wirklichen Namen der VP70, sie ist und bleibt eine Volkspistole.
Die offizielle Geschichte der VP70:
Der Urvater der VP70 ist die Mauser Volkspistole. Beide Waffen haben eine erstaunliche Ähnlichkeit, vor allem beim Abzug, dem Schlagbolzen und dem Zerlegemechanismus. Die Mauser Volkspistole war als sehr günstig zu fertigende Volkssturm Pistole entworfen worden. Nach dem 2. Weltkrieg waren es die selben Ingenieure (allen voran Alex Seidel) die bei Heckler & Koch einen neuen Arbeitsplatz gefunden hatten und dort ihre alten Entwicklungen realisieren wollten. Einfach gesagt verpassten sie ihrer alten Konstruktion ein Kunststoffgriffstück und sehr tiefe Züge, statt der ursprünglich geplanten Gasbremse. Die Entwicklunge der Pistole lief von 1965 bis 1970. Im Jahr 1973 wurde sie der Öffentlichkeit präsentiert. Sie wurde kein großer Erfolg. Sie wurde, nach offiziellen Angaben, von keiner Behörde eingeführt und es wurden lediglich Einzelstücke als Testwaffen an diverse Behörden geliefert. So Revolutionär ihre Konstruktion mit dem Kunststoffgriffstück, dem großen Magazin und dem Schlagbolzenschloss war, niemand wollte sie wirklich haben. Hätte Heckler & Koch andere Versionen der Pistole (etwas kompakter mit leichterem Abzug und Verschlussfanghebel) zusätzlich gebaut, wäre sie vermutlich ein riesen Erfolg geworden.
Es wird immer wieder gesagt, dass die VP70 als PDW ("Personal Defence Weapon") konzipert wurde, für Fahrer, Funker usw. beim Militär. Ich glaube das ehrlich gesagt nicht. Wenn man sich die VP70 anschaut fällt einem sofort die extrem einfache Bedienung auf, die bei kaum einer anderen Selbstadewaffe so einfach gestaltet ist. Die VP70 ist ganz klar für Menschen bestimmt, die keine Ausbildung im Umgang mit Waffen haben. Zusätzlich ermöglicht der sehr schnelle Feuerstoß und die Schulterstütze ebenfalls recht einfach, schnell und tödlich auf kurze Entfernung zu wirken.
Für Hinterhalte auf 5-20 Meter Entfernung ist die Pistole ideal. Aber wenn eine Panzerbesatzung ausbooten muss, ist diese schnell mal gezwungen auf 100 Meter wirken zu müssen. Mit einer normalen MP geht das, mit der VP70 aber kaum noch. Um es auf den Punkt zu bringen, ich sehe in der VP70 keine Verteidigungs- sondern eine Angriffswaffe. Und ich sehe in ihr keine Militär-, sondern eine Guerilla Waffe.
Wenn man Bauern bewaffnen will, damit sie gegen ihre kommunistische Regierung kämpfen, sollten zur Wartung der Waffen natürlich kein Werkzeug notwenig sein. Das Ausbauen vom Schlagbolzen wird mit dem Magazinboden gemacht, was sogar noch einfacher als bei einer Glock funktioniert.
Wenn der Abzug gezogen wird, führt der hier markierte "Mitnehmer" den Schlagbolzen zurück.
Wenn er weit genug gespannt wurde, senkt sich der Mitnehmer ab und der Schlagbolzen hat genug Kraft, um das Zündhütchen zu erreichen.
Das breite Korn ist in der Mitte ausgefräst. Dies lässt es dunkel erscheinen und wirkt optisch, vor den hellen Flächen, wie ein gewönliches Korn. Man nennt das "Schattenkorn".
Der Abzug ist mit dem Zerlegehebel verbunden. Wenn der Zerlegehebel nach unten gezogen ist, blockiert er den Abzug.
Beim Blick durch den Lauf erkennt man die tiefsten Züge, die es bei einer Selbstladepistole gibt.
Die technischen Daten der VP70:
Kaliber: 9mmx19
Magazininhalt: 18 Schuss
System: Rückstoßlader mit Feder-Masse-Verschluss und Schlagbolzenschluss für Einzelfeuer und 3-Schuss Feuerstöße
Theoretische Feuergeschwindigkeit: 2200 Schuss / Minute (!)
Visierung: Verstellbare Kimme mit Schattenkorn (!)
Maße: 204x35x144 mm
Lauflänge: 116mm
Gewicht leer (Literaturangabe): 820g
Gewicht geladen (Literaturangabe): 1135g
Tatsächliches auf zwei unterschiedlichen Wagen ermitteltes Leergewicht: 994g bzw. 998g
Tatsächliches Gewicht von Verschluss alleine: 427g
Tatsächliches Gewicht vom Griffstück (ohne Verschlussfeder und ohne Magazin): 453g
Abzugsgewicht (Literaturangabe): 7kg (!)
Produzierte Waffennummern: 500-3731 (von der zivilen Variante VP70Z wurden 23.698 Stück hergestellt)
(Quelle: Das Buch "HK Heckler & Koch")
Zum Vergleich, ein Sig Sauer 226 Verschluss wiegt ohne Lauf und Verschlussfeder nur 318g.
Waffenrechtliche Einstufung:
Im Gegensatz z.B. zu einer Mauser M712, Beretta 93R, Glock 18 usw. kann die VP70 nur mit dem montierten Anschlagschaft vollautomatisch schießen. Und daher ist sie nur eine verbotene vollautomatische Schusswaffe, wenn sie zusammen mit dem Anschlagschaft besessen wird. Die VP70 alleine ist daher waffenrechtlich eine ganz normale erlaubnispflichtige halbautomatische Kurzwaffe (vollautomatische Pistolen sind keine Kriegswaffen). Sie darf daher auch von Sportschützen und Jägern erworben werden.
Die technischen Eigenschaften der VP70:
Die VP70 war weltweit die erste Pistole mit einem Kunststoffgriffstück, lange vor der Glock. Sie verfügt über ein 18 Schuss fassendes Magazin. Um die Produktion zu vereinfachen und die Produktionskosten zu senken, arbeitet die Pistole mit einem einfachen Feder-Masse-Verschluss. Das ist nur möglich, durch einen schweren Verschluss. Zusätzlich ist es die einzige mir bekannte Waffe, die über so tiefe Züge verfügt, dass ein Teil der Gase am Geschoss vorbei strömen können. So wird Energie ungenutzt aus der Waffe geleitet, der Druck im Lauf gesenkt und die Öffnung vom Verschluss so weit verzögert, dass der Verschluss nicht frühzeit öffnet. InRangeTV hat mal einen interessanten Vergleichstest gemacht. Eine handelsübliche 9mm Para Pistole brachte etwa 490 Joule, die VP70 nur etwa 370 Joule. In dem Video ist auch zu sehen, dass die Geschosse Schmauchspuren an den Stellen aufweisen, wo die heißen Gase über die Felder am Geschoss vorbei ziehen.
Auch wenn die Verschlussfeder recht stark ist, ist das Durchladen der Pistole kein Problem und sollte fast jedem Menschen problemlos gelingen. Die VP70 wird auch die sicherste Pistole der Welt genannt, weil sie einen sehr schwergängigen Abzug hat. Sie schießt eigentlich nur, wenn man das auch wirklich will. In der Planung der VP70 wurde überlegt, die Waffe ohne Sicherungshebel zu bauen. Schließlich wurde doch eine einfache Druckknopfsicherung eingebaut, die lediglich auf den Abzug wirkt. Aus meiner Sicht ist das bei dieser Pistole unnötig und sogar eine falsche Entscheidung gewesen. Eine Waffe mit einem so schwergängigen Abzug ist bereits sehr sicher. Ich muss aber doch sagen, dass ich mir den Abzug viel schlimmer vorgestellt hatte. Auch wenn man einige Kraft aufbringen muss, wandert die Visierlinie beim Abziehen kaum aus dem Ziel. Er ist etwas kratzig, hat aber vor dem Auslösen sogar einen Druckpunkt.
Die VP70 ist eine Selbstladepistole und nur mit anmontiertem Anschlagschaft kann sie 3-Schuss Feuerstöße schießen. Die extrem hohe theoretische Kadenz dieser Feuerstöße von 2200 Schuss pro Minute lässt die drei Geschosse so schnell aus dem Lauf, bevor die Waffe relevant aus dem Anschlag auswandern kann. Die Schüsse hören sich teilweise sogar nur wie ein Schuss an, was man in diesem Video gut sehen (hören) kann. Wenn man den Abzug 5x betätigt hat ist das Magazin leer. Das berüchtigte MG42 hatte z.B. "nur" etwa 1300 Schuss pro Minute!
Was in vielen Veröffentlichungen nicht erwähnt wird ist, dass unter dem Patronenlager ein Rückstoßpuffer verbaut ist. Dieser besteht aus einer etwas aufwendigeren Konstruktion mit einer Feder (und nicht einem Kunststoffblock wie bei der HK4 und der P9).
Was mich übrigens nicht überzeugt hat, ist die Deutschusseigenschaft der VP70. Wenn ich sie blind auf ein Ziel richte, stimmt die Lage der Visierung meist nicht mit dem überein, was ich eigentlich wollte.
Die entsprechenden Youtube Videos von Forgotten Weapons über die VP70 findet Ihr HIER, HIER und HIER. Diese Videos und das "HK Heckler & Koch" Buch sind die besten Infomationsquellen, die mir zur Verfügung standen.
Design Merkmale:
Die VP70 hat optisch das Griffstück vom G3 Sturmgewehr erhalten.
Die Verschlüsse der frühen Pistolen haben auf den Seiten ein Schild mit der Firmenbeschriftung und den Durchladerillen eingesetzt. Das ist von der ersten Heckler & Koch Pistole, der HK4, übernommen. Später wurde diese Platte aber auch bei der HK4 weg gelassen.
Diese VP70 wurde umgebaut:
Es ist vor allem ein Teil, das bei diesem Umbau bemerkenswert ist. Der beidseitige Auslöser wurde nicht einfach entfernt, sondern er wurde durch das blau markierte Teil auf dem unteren Bild ersetzt. Dieses Teil enspricht genau dem, der VP70 Z. Daher gehe ich davon aus, dass die Pistole von Heckler & Koch selber umgebaut wurde. Beim Studium meines Heckler & Koch Buches stieß ich auf die Information, dass H&K tatsächlich militärische VP70 Pistolen umgebaut hat, um sie auf dem Zivilmarkt zu verkaufen (Seite 78). Aber diese seltenen, von H&K umgebauten, Militärpistolen liegen in ganz anderen Seriennummern bereichen. Die Pistole, die ich hier zeige ist mit der Waffennummer 2xxx klar aus der militärischen Fertigung gewesen.
Diese Stellen im Verschluss drücken die Auslöser für den vollautomatischen Modus nach unten. Die Abnutzung zeigt, dass sie früher, vor dem Umbau, auch geschossen wurde.
Ich habe es mit der VP70 endlich auf den Schießstand geschafft. Und wie versprochen, reiche ich den Schusstest hiermit nach. Das Ergebnis war sehr interessant und für mich auch etwas überraschend. Der Abzug geht wirklich schwer und zwar viel schwerer, als ich am Schreibtisch den Eindruck hatte. Das Durchladen der Pistole war vom Kraftaufwand her übrigens völlig normal und mit anderen Pistolen vergleichbar.
Als ich die Pistole ausprobierte war es bereits dunkel, die Scheiben waren beleuchtet und die Schützenstände ebenfalls. Aber bei diesen Lichtverhältnissen zeigte sich, dass das "Schattenkorn" hier überhaupt nicht funktionierte. Es konnte überhaupt kein brauchbares Visierbild erzeugt werden und das Visieren war eher ein Schätzen.
Hier seht Ihr 9 Treffer von 10 abgegebenen Schüssen. Ich habe freihändig auf 25m geschossen. Ein zweiter Durchgang sah genau so aus. Mehr als das Treffen der gesamten Scheibe war nicht möglich. Wegen der tiefen Züge war das Mündungsfeuer einiges stärker als üblich.
Fazit: Die VP70 macht sich in der Waffensammlung viel besser als auf dem Schießstand. Und einen Sicherungsknopf braucht diese Waffe wirklich nicht, bei einem dermaßen schweren Abzug.
Es gab in der BRD mehrere stay-behind Organisationen. Deren Geschichte begann kurz nach 1945 mit unterschiedlichen Gruppen, die von den Besatzungsmächten aufgebaut wurden (Video, Video, Video). Später wurde die entsprechende Organisation (NATO "Gladio") vom BND aufgebaut und geleitet. Soweit mir bekannt ist, bestand das Personal zunächst aus Bundeswehr Soldaten die im V-Fall ihre Uniformen unter BND Kommando abgelegt hätten. Zuletzt wurden, laut dem Buch von Norbert Juretzko "Bedingt Dienstbereit", Zivilisten angeworben und ausbildet. Das hatte wohl hauptsächlich völkerrechtliche Gründe. Vermutlich lag der Schwerpunkt der deutschen Stay-Behind Organisation tatsächlich nur bei dem Fernmeldewesen. Die kämpfenden Einheiten wären vermutlich per Fallschirm zu diesen Funkern gestoßen. Das Einrichten von geheimen Abwurf- und Absetzplätzen war Teil der BND Ausbildung. Von dieser Aufgabenteilung hört man immer wieder und gibt auch ein schlüssiges Bild ab, wenn man unterschiedliche Quellen prüft. Aber man muss auch davon ausgehen, dass einige derartige Organisationen bis heute nicht bekannt geworden sind. Z.B. gibt es in dem Buch "Der Detektiv" von Roland Bleimaier auf Seite 27 einen Hinweis auf eine entsprechende Organisation der USA auf deutschem Boden, die bis zur Wiedervereinigung bestanden hat.
Wenn man sich jetzt überlegt, dass die deutsche Stay-Behind Organisation hauptsächlich einen Fernmelde Auftrag hatte, erscheint die Bewaffnung mit eine Art PDW ("Personal Defence Weapon") durchaus sinnvoll und realistisch. Der Agent hätte die Pistole im Einsatz leicht verbergen können und im Umkehrschluss hätte er mit den 18 Schuss eine, für damalige Zeiten, beachtliche Feuerkraft gehabt. Man muss sich dabei bewusst machen, dass bei der Markteinführung der VP70 noch fast alle Polizisten mit Walter PP und PPK bewaffnet waren und die 9mm Para Pistolen meist nur 8 Schuss im Magazin hatten. Einige Jahre später war übrigens aus dem selben Grund die MP5k bei Personenschutz Kommandos sehr beliebt, weil sie viel mehr Feuerkraft hatte, als die P5,P6, P7, P9 usw. Sollte man zusätzlich den Anschlagschaft verwenden, hätten die Agenten eine ideale Waffe für Überfälle gehabt. Die Waffe wäre auch wesentlich leichter zu verbergen gewesen, als z.B. eine UZI oder MP5.
Sehr interessant ist die kaum bekannte und seltene Tragevorrichtung, die zusammen mit der Schulterstütze ausgeliefert wurde. Es handelt sich dabei um einen Riemen und eine Kunststoffplatte, die in die Schulterstütze als Holster eingehängt werden konnte. Es war damit möglich, die Pistole unbemerkt unter der Achsel, unter einem Mantel, zu tragen. Die kompakte Größe der Schulterstütze, von etwa 40 cm, macht sie z.B. auch kurz genug, um sie in einer Aktentasche zu verstecken. Man muss sich hierbei auch die damalige Zeit vor Augen führen. Auf der ganzen Welt rangen die beiden Blöcke (NATO und Warschauer Packt) um Einfluss. Es wurde immer wieder einzelne Staaten im Kampf gegen Kommunisten unterstützt und genau dort wäre vermutlich das geplante Haupteinsatzgebiet der VP70 gewesen. Man hätte die Waffe problemlos und ohne Ausbildung mit dem Flugzeug über Krisengebieten in Afrika oder Süd-Amerika abwerfen können und so "elegant" eine Seite unterstützen können. Ein Problem wäre dabei nur gewesen, dass jeder Gewusst hätte, wer die Waffen geliefert hat. Und im Falle einer Besetzung von West Deutschland, hätte die Besatzungsmacht sofort gewusst wen sie vor sich hat, wenn sie bei jemandem eine VP70 gefunden hätte.
Wie komme ich zu der Annahme, dass der BND die VP70 verwendet haben KÖNNTE?
In der Visier 02/2017 war der Bericht "Zwischen Ost und West: Vollauto-Pistole und Kalte Krieger". Dort wird diese Theorie erstmals öffentlich aufgeworfen. In dem Artikel wird vermutet, dass die
VP70 auf dem deutschen Zivilmarkt legalisierte Waffen von Stay-Behind Agenten gewesen sein müssen. Die einzige belastbare Aussage dort stammt vom Marketing Direktor von H&K USA. Zitat: "Die
VP70 entstand speziell für stay-behind-Agenten und war gedacht für den Guerillakrieg in einem dann besetzten Europa". Bei dieser Aussage muss man aber bedenken, dass sie dafür gedacht gewesen
sein soll. Dort steht aber nicht, dass der BND sie beschafft hat!
Eine kleine Angeberei am Rande, die in diesem Visier Bericht abgebildete VP70 mit Anschlagschaft hat die Nummer 93xxx, womit es sich eindeutig um eine halbautomatische VP70ZH (Zivil Holster) handelt. Es wird in dem Bericht zwar von Einzelwaffen wie meiner VP70 auf dem deutschen Markt erzählt, die Autoren hatten aber offenbar selber keine davon zur Verfügung. Im Visier Special 57 ist auf Seite 11 aber genau so eine VP70 vorgestellt, wie ich sie Euch hier zeige. An ihr wurden offenbar auch die selben Umbauten vorgenommen. Ich erkenne aber an ganz kleinen Details, dass es nicht meine Pistole ist, die dort abgebildet wurde.
Wie kann diese Pistole also den Weg zu mir gefunden haben?
Heckler & Koch hat einen kleinen Überbestand an militärischen VP70 in zivile Pistolen umgebaut und an einen Händler verkauft. Obwohl H&K das tatsächlich mit wenigen Einzelstücken gemacht hat, liegen die umgebauten Pistolen in anderen Seriennummern Bereichen (1xxx und 3xxx).
Ein Mitarbeiter einer Behörde hat eine Versuchspistole umgebaut und privat erworben. Das halte ich für möglich.
Ein Mitarbeiter eines Waffenherstellers hat eine Versuchspistole umgebaut und privat erworben. Das halte ich für möglich.
Der BND hat seinen ehemaligen stay behind Agenten die Möglichkeit eingeräumt, ihre bisherigen Dienstpistolen privat zu erwerben. Das machen zwar andere Behörden immer mal wieder, aber bei einem Geheimdienst und einer so speziellen Waffe halte ich das für ausgeschlossen.
Und jetzt kommt die coolste Theorie: Als Anfang der 80er Jahre die ersten Presseberichte über "Geheimarmeen" in Italien und Belgien auftauchten hatten, Gerüchten zufolge, einige deutsche stay behind Agenten Angst vor einer Auflösung ihrer Strukturen. Sie sollen befürchtet haben, dass Deutschland einem russischen Einmarsch dann schutzlos ausgeliefert wäre. Als BND intern Umstrukturierungen des Netzwerks beschlossen wurden, soll einiges an Ausrüstung nicht mehr auffindbar gewesen sein. Ich muss erneut ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich hierbei nur um Gerüchte handelt, von denen mir erzählt wurde. Ich stelle keine Behauptungen auf und habe keine Belege dafür.
Es wurde mir jedoch aus erster Hand, von ehemaligen schweizer P26 Mitgliedern etwas sehr Ähnliches erzählt. Als der PUK des EMD (Untersuchungsausschuss) zum ersten Mal die P26 Materialdepots besichtigte, fehlte eine relevante Menge des Materials. Da ich bisher noch nie etwas dazu in öffentlich zugänglichen Quellen gelesen habe, will auch ich keine weiteren Details dazu erzählen. Es scheint aber so, dass sich in Deutschland und der Schweiz Ähnliches abgespielt hat. Die vier schweizer Depots hatten übrigens die Tarnbezeichnungen Schloss Rein, Burg Benken, Chateau Lavey und Kastell Gordola. In Österreich wurde die Stay-Behind Organisation von den USA aufgebaut und geleitet. Nach Ende des Projektes wurde den Österreichern die Lage der Waffendepots mitgeteilt, damit sie diese selber räumen können. Auch hier war ein relevanter Teil der Waffen verschwunden. Eine öffentlich Quelle für diese Information ist mir nicht bekannt, es wurde mir vor 20 Jahren aber vom Verantwortlichen dieser Räumaktion persönlich erzählt. Da in diesen Depots sehr alte Waffen lagerten, kommen sie als Ursprung der VP70 Pistole nicht in Frage.
Auch wenn die ehemaligen Mitglieder von P26 öffentlich etwas Anderes sagen, Ihr Kampfauftrag ist durch die bekannt gewordene P26 Ausrüstung offensichtlich. Da das hier vermutlich auch einige lesen, die bisher wenig über stay behind Organisationen wissen, will ich noch Folgendes sagen. Der schweizer Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass die gesamte schweizer Organisation keine "Geheimarmee" war und die Mitglieder keine staatsgefährdenden Absichten hatten. Die Organisation standen unter einer staatlichen Kontrolle und hatten nichts mehr mit den "Kommunisten Jägern" der 50er Jahre zu tun.
Foto oben: Die Unterschallpatrone für das geheime G150 Schallabsorber Gewehr.
Foto links: Luftdicht verpackte schweizer Stilhandgranaten aus Kunststoff (HG43) und Sig-Sauer Pistolen.
Bei der Beschaffung von Sprengmitteln für das P26 hat sich die schweizer Armee "nicht lumpen lassen". Panzerfäuste waren in den P26 Depots nicht eingelagert, aber sehr wohl die Geschosse dafür. Die Technik wie diese ohne Panzerfaust verschossen werden konnten wurde früher sogar bei der Bundeswehr ausgebildet, ich will sie hier aber nicht breit treten.
Wie Ihr seht, konnte ich wesentlich mehr Informationen über schweizer Stay-Behind Organisationen finden, als über die deutschen Strukturen. Das liegt daran, dass die diesbezügliche schweizer Geschichte, im Gegensatz zu fast allen anderen, durch einen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wurde. Obwohl Vieles immer noch geheim ist, weiß die Bevölkerung recht gut, was damals passiert ist. Und die ehemaligen Mitglieder sind stolz auf ihre Arbeit. Die deutschen Stay-Behind Agenten müssen sich aber offenbar vor der Öffentlichkeit verstecken (sie sind ja auch nie von ihrer Geheimhaltungsverpflichtung entbunden worden) und der BND muss sich fragen lassen, ob er einen guten Grund für die weitere Geheimhaltung hat?
Mein Fazit:
Es ist möglich, dass ich eine ehemalige BND Pistole vor mir habe. Es gibt aber auch noch viele weitere Möglichkeiten, wie sie zu mir gekommen sein kann. Sie könnte sogar eine Stay-Behind Pistole von einem anderen NATO Mitgliedsland sein. Aber die Tatsache, dass Heckler & Koch selber militärische Pistolen umgebaut und auf den Zivilmarkt gebracht hat, lässt diese Möglichkeiten gering erscheinen. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass der BND überhaupt VP70 Pistolen beschafft und verwendet hat. Ich gehe davon aus, dass die Autoren des zitierten Visier Artikel schlichtweg nichts von den H&K eigenen Umbauten wussten und daher eine völlig falsche Grundannahme hatten. Und so gerne ich Euch erzählen würde, dass die VP70 eine richtig spektakuläre Geschichte hat, und so spannend ich die Geschichte von Gladio finde, muss ich ein anderes Fazit ziehen. Ich gehe inzwischen davon aus, dass die deutschen Stay-Behind Agenten niemals mit VP70 Pistolen ausgerüstet waren und dass alle diese Pistolen auf dem deutschen Zivilmarkt direkt von Heckler & und Koch in den Handel gebracht wurden. Meine Meinung dazu stützt sich vor allem darauf, dass in der hier gezeigten VP70 ein Teil der VP70 Z eingebaut wurde und das muss eigentlich H&K selber gemacht haben.
Aber die Tatsache, dass die hier gezeigte VP70 deutlich im militärischen Nummernbereich liegt, macht sie aus meiner Sicht zur interessantesten VP70 Pistole in deutschem Privatbesitz. Und mir selber hat diese kleine Spurensuche in unserer Nachkriegsgeschichte Spaß gemacht und ich hoffe, dass auch Ihr etwas dabei mitnehmen konntet.
Bedenkt hierzu bitte auch, dass die VP70 in der gesamten Fachliteratur ein Rückstoßlader ist und es das Wort "Rückdrucklader", dass derzeit von einigen Counter-Strike Spielern im Internet verbreitet wird, dort nicht gibt.