Taktik beim Einsatz von Paintballwaffen zur Selbstverteidigung

Das Home Defence Setup eines Lesers:

Tippmann TCR mit Umarex Pfefferspray Launcher, Skateboard Tape, Leuchtpunktvisier und Notvisier.

Es wurde im Internet bereits öfter über Paintballwaffen zur Selbstverteidigung diskutiert. Meine Meinung dazu ist Folgende: 7,5 Joule ist zu wenig um einen Angriff wirkungsvoll zu stoppen. Dazu sollte man sich auch auf keinen Fall falsche Vorstellungen machen. Mit 7,5 Joule passiert es eher, dass der Angreifer erst richtig sauer wird. Aber in manchen Situationen wird man einen Aggressor dabei vertreiben können. Hier zwei Beispiele: Ein Demonstrant wirft Steine auf eine Polizeikette, sollte dieser (auch recht schwache) Gummigeschosse abbekommen verliert der schnell die Lust an seinem Tun. Aber wenn man dagegen einen Einbrecher in eine Ecke gedrängt hat und er an einem vorbei Richtung Ausgang will wird auch ein 30 Joule Gummigeschoss ihn kaum stoppen. Außer natürlich es trifft ihn in die Genitalien, an der Schläfe usw. wo er sofort außer Gefecht gesetzt wird. Im Internet findet man viele Videos die Test von Gummigeschossen zeigen. Dort ist sogar zu sehen wie einer nach dem Treffer eines 200 Joule starken Flashball noch voll handlungsfähig ist. Aber umgekehrt gibt es auch genügend Beispiele mit bester Wirkung bei wesentlich weniger Energie. Es ist also genau so wie bei allen anderen Waffen. Auch beim Taser und beim Pfefferspray gibt es wirkungslose Einsätze. Auch bei Schusswaffen wird unendlich über die Mannstoppwirkung diskutiert. Also hatte ich an meinem TCR die Piexon Pfefferspraymontage befestigt. Sollte ein Angreifer doch näher kommen hat man eine weitere Waffe mit einem Handgriff zur Verfügung. Alles was man aber an die Seiten montiert macht die Waffe aber natürlich auch unhandlicher.

.68er Geschosse zur Selbstverteidigung

Gummigeschosse, Pepperball, Paintballs usw. Oben links ist ein First-Strike FSC Magazin und rechts ein Tippmann TIPX Magazin.
Gummigeschosse, Pepperball, Paintballs usw. Oben links ist ein First-Strike FSC Magazin und rechts ein Tippmann TIPX Magazin.

Der Paintballspieler spricht von "Paint". Zur Selbstverteidigung werden aber meist Gummigeschosse, oder Pepperballs verwendet. Da Pepperball aber auch eine Firma ist werden sie von manchen Herstellern auch "Pava-Balls" genannt, denn darin ist meist der künstliche Pfefferreizstoff PAVA. Daneben gibt es aber noch diverse andere Geschosse, wie Glasbreaker Geschosse, Powderballs (mit Kreide oder Babypuder gefüllt), Nylon Geschosse usw. Behörden verwenden oft auch Geschosse die ein Gemisch aus PAVA und CS enthalten. Diese sind bei uns aber nicht erhältlich.

Gummigeschosse / Wuchtgeschosse

Gummigeschosse sollen hauptsächlich eine Art Schlagwirkung erzielen. Verletzungen, oder das Aufplatzen der Haut, soll bei Gummigeschossen durch die Verformung vermieden werden. Wenn man mehr Wirkung erzielen will kann man Bonebreaker oder Glasbreaker Kugeln verwenden. Diese sind schwer und Hart. Aber wenn man diese mit 30 Joule auf die Schläfe oder den Hals schießt kann dies sogar tödlich wirken! Metallkugeln haben wohl in der Praxis keinen Sinn und funktionieren schlecht in Paintballwaffen. Am deutschen Markt verfügbar sind die "Grimburg Less Lethal Anti Riot Bullets" mit etwa 8g Gewicht. Diese sind, aus starken Waffen verschossen, vermutlich die wirkungsvollsten Geschosse am Markt. Für 7,5 Joule Waffen werden sie zu schwer sein.

Nachtrag von 09/2021: Es wurde inzwischen eine kaum überschaubare Menge an unterschiedlichen .68er Geschossen entwickelt. Durchsetzen konnten sich vor allem die Grimburg und die Devastator Geschosse (First-Strike Gummigeschoss mit Stahlkern).

 

Eine weitere ballistische Möglichkeit Verletzungen zu vermeiden ist es Geschosse zu verwenden, die sich am Ziel zerlegen. Dieses Prinzip könnt Ihr hier sehen. Mit einer etwa 7 Joule starken Waffe habe ich hier auf mehrere Lagen Karton, auf 1m Entfernung geschossen. Das Foto zeigt die zweite Lage davon. Das Paintball hat sich an der ersten Lage zerlegt und blieb an der zweiten Lage hängen. Die 3g und 6g schweren Gummigeschosse drangen weiter ein und steckten hinter der dritten Lage Karton. Meine beiden Sorten .68er Gummigeschosse unterscheiden sich nicht nur im Gewicht. Die 3g Geschosse sind weich und lassen sich etwas zusammendrücken. Die 6g Geschosse haben zur Gewichtserhöhung Metallpulver eingegossen und sind recht hart. Sie lassen sich nicht zusammendrücken.

Ballistisches Beispiel:

Mit den 3g Gummigeschossen erreichte ich mit einer Waffe V0 Werte von 55 - 65m/s, was etwa 4,5 - 6,3 Joule entspricht.

Mit den 6g Gummigeschossen erreichte ich eine V0 von 39 bis 41m/s und damit eine fast gleiche Energie.

 

Nachtrag von 05/2020:

Bei einer kleinen Testserie mit unterschiedlichen Paintballwaffen habe ich ein paar Durchschnittswerte errechnet. Gemessen habe ich jeweils die V0 von 4 Schüssen und davon den Durchschnitt errechnet. Festgestellt habe ich hierbei, dass die leichten Umarex RBP68 Geschosse auch eine frei verkäufliche Waffe über 7,5 Joule bringen können.

Mit dieser wesentlich höheren Energie der leichten Geschosse hatte ich so nicht gerechnet. Bedenkt dabei aber, dass leichte Geschosse auch schneller ihre Geschwindigkeit verlieren, als schwere. Bei höherer Geschossenergie brachen übrigens die Flossen einiger RBP68 Geschosse ab und sie waren nicht wiederverwendbar. Als Kugelfang hatte ich hierbei einen Karton, der mit alter Kleidung gefüllt war. Interessant war auch, dass die eine Waffe mit 3g Geschossen mehr Energie erreichte und die andere mit 6g schweren.

(Foto: Der X-Radar Airsoft Chrony geht, im Gegensatz zur Paintballversion, auch über 400fps hinaus)

 

 

Mit einer Umarex HDS68 im Werkszustand der ersten Serie erreichte ich:

Mit 1,9g schweren RBP68 15 Joule

Mit 3g schweren Gummikugeln 8,7 Joule

Mit 6g schweren Gummikugeln 11 Joule

 

Mit einer anderen Waffe erreichte ich:

Mit 1,9g schweren RBP68 18 Joule

Mit 3g schweren Gummikugeln 10  Joule

Mit 6g schweren Gummikugeln 7 Joule

 

Mit einer anderen Waffe erreichte ich:

Mit 1,9g schweren RBP68 16 Joule

Mit 3g schweren Gummikugeln 14  Joule

Mit 6g schweren Gummikugeln 13,5 Joule

 

(Für alle Klugscheißer und Schlaumeier sage ich es hier auch noch mal, Ich bin Sachverständiger für Schusswaffen und darf auch mit Waffen über 7,5 Joule Umgang haben)

Das hier sind die .68er FN Geschosse, die vorne mit Bismut beschwert sind. Sie wiegen 8,5g und haben ihre Wirkladung hinten. Sie sind vermutlich die hochwertigsten .68er Geschosse überhaupt und sie basieren auf genau diesem Prinzip, dass sie sich im Ziel zerlegen sollen. Sie sollen auf diese Weise die selbe Wirkung wie Gummigeschosse haben, funktionieren aber eben anders. Leider sind sie hier nicht zu bekommen und mit etwa 3,5 Dollar / Stück sehr teuer (Quelle: https://fnamerica.com/products/less-lethal/fn-303-p/).

Die Firmen Pepperball und FN stellen sie her, aber in Deutschland hat man sie bisher nicht bekommen: Flossenstabilisierte .68er Gummigeschosse. Nun können endlich alle Besitzer von First-Strike Paintballwaffen auch entsprechende Gummigeschossen kaufen. Aber auch hier gibt es leider einen Kritikpunkt, denn die hier gezeigten Umarex "RBP 68" wiegen lediglich 1,94 Gramm. Das hat den Hintergrund, dass sie bei den schwachen deutschen 7,5 Joule Waffen auch noch auf eine brauchbare Geschwindigkeit gebracht werden sollen. Für kurze Entfernung ist das gar nicht schlimm, aber so leichte Geschosse verlieren sehr schnell ihre Geschwindigkeit.

 

Pepperballs / PAVA-Balls

Lange mussten wir darauf warten, hier seht Ihr sie: First Strike Pepperballs im Kaliber .68. Ein Röhrchen mit 10 Geschossen wird vermutlich 25 bis 30 Euro kosten. Schlecht an ihnen ist, dass sie wesentlich weniger Pfefferpulver beinhalten als Rundkugeln, da bei ihnen nur eine Halbkugel gefüllt ist.

 

Man sollte sich gut überlegen, ob man Pepperballs im Haus verwenden will! Denn das Zeug schwebt in der Luft und muss irgend wann wieder weg geputzt werden!

 

Beim Einsatz von Pepperballs mit 7,5 Joule sollte, soweit das möglich ist, auf harte Oberflächen, und nicht den Körper des Angreifers geschossen werden. Bei einem Treffer auf weiche Muskeln ist das Risiko viel zu hoch, dass sie nicht aufplatzen. Beim Einsatz von stärkeren Waffen, mit vielleicht 14 Joule, sollte das aber kein Problem mehr sein. Im Behördlichen Einsatz wird, zur Vermeidung von Verletzungen, meist auf die Beine und den Bauch gezielt. In der privaten Selbstverteidigung eher auf die Brust.

 

Zum Trainieren bekommt man auch Powderballs, die wesentlich günstiger sind als Pepperballs und diesen ballistisch entsprechen. Sie kosten nur etwa 50c / Schuss.

 

Das hier links ist das VXR Geschoss von der Firma Pepperball im Kaliber .68 mit 3,4g Gewicht. Bedenkt bitte, dass diese Geschosse von Pepperball etwa 1mm länger sind und in normalen Paintballwaffen Probleme verursachen können.

 

Quelle: http://www.pepperball.com/product/vxr-live/

Die Firma Pepperball bietet ja für ihre Waffen den Mündungsaufsatz "SplitShot" an, der Pepperballs an der Mündung platzen lässt und damit auch einen Einsatz der Waffen auf kürzeste Entfernung zulässt. Ein Video von einem Einsatz könnt Ihr HIER sehen und das Produkt HIER. Da die Produkte hier nicht zu bekommen sind habe ich mir versuchsweise eines selber gebaut, mit einem angeschliffenen Blech im "Mündungsfeuerdämpfer" meiner Tiberius T4. Der Mündungsfeuerdämpfer muss dafür natürlich rund herum komplett abgedichtet werden.

 

Interessant finde ich das Gedankenspielen, dass man Gummigeschosse und Pepperballs gemischt verschießen kann! Da Pepperballs etwa 3 Euro / Schuss kosten kann man diese z.B. im Wechsel laden. Oder nur jeden dritten Schuss Pfeffer laden, ähnlich den Leuchtspur beim MG. Mir ist auch in Internetvideos aufgefallen, dass die ersten Pepperball Treffer oft nicht platzen. Ich vermute, dass es daran liegt, dass die Kleidung des Angreifers erst an den Körper gedrückt werden muss und erst dann das Ziel hart genug ist. IdR. wird man sich aber für eine Geschossart entscheiden und darauf festlegen.

Eine weitere Möglichkeit ist als letzten Schuss eine Paintball in das Magazin zu laden, damit man gleich sieht wann es leer ist und rechtzeitig das Magazin wechseln kann. Das würde ich aber nur bei großen Magazinen machen um nicht zu viel Magazinkapazität zu vergeuden.

 

Die "Marking" Geschosse von Umarex sollen übrigens eine nicht abwaschbare Farbe enthalten (im Gegensatz zur abwaschbaren Farbe des HDR50 Launchers).

Ballistik, Energie und Wirkung von Gummigeschossen

(Die ganzen Daten hier habe ich mir größtenteils aus dem Internet zusammengesucht und kann natürlich keine Garantie dafür geben, dass sie stimmen)

 

Rippenbruch ab 28-156 Joule
Sonstige Knochenbrüche ab etwa 120 Joule
Leberriß ab etwa 100 Joule

(Das sind alles nur grobe Werte, die im Einzelfall stark abweichen können. In diesem Fall erlitt eine Frau durch die etwa 33 Joule des FN303 eine tödliche Verletzung)

44mm Flash Ball: Geschossgewicht 30gr, E0: 198 Joule, E50: 69 Joule (eine andere Quelle spricht von 100 Joule als E0) (Video)
35mm Manhurin Punch: Geschossgewicht 21gr, E0: 187 Joule, E50: 73 Joule
Kal. 12 Gummigeschoss 1. Sorte: Geschossgewicht 4,6gr, E0: 240 Joule E50: 49 Joule
Kal. 12 Gummigeschoss 2. Sorte: Geschossgewicht 5,8gr, E0: 42 Joule, E50: 15 Joule
FN 303 Gewehr: Geschossgewicht 8,5gr., E0: 33 Joule (Video, Video)
FN 303 P Pistole: E0 25 Joule

Brügger & Thomet 40mm SIR Impuls Patrone: E0 116 Joule

Brügger und Thomet 40mm SIR-X Impuls Patrone: E0 176 Joule


Schweizer Gummischrot aus dem Mehrzweckwerfer werden mit etwa 60m/s verschossen und jedes Geschoss wiegt jeweils 10 Gramm. Bei jedem Schuss werden 35 Geschosse abgeschossen. Nach 20 Metern haben sie jeweils noch etwa 10 Joule.

 

Die 40mm Bundeswehr "Impulspatrone" schafft bei 70 g Geschossgewicht etwa 85m/s. Das macht eine V0 von 252 Joule

 

Einige Hersteller geben als Höchstwert für sichere Paintballspiele etwa 12 Joule an. Auf einigen ausländischen Spielfeldern sind auch max. etwa 10 Joule erlaubt. In Deutschland natürlich nur 7,5 Joule. Im Paintballsport wird aber meist nur der Wert "fps" angegeben, also Fuß pro Sekunde. Etwa bis zu diesen Werten kann man die meisten Paintballwaffen einstellen, viele aber auch darüber hinaus.


Waffen der Firma Pepperball haben für Glasbreaker und Pepperball Kugeln etwa 16 Joule ab Werk

FN Bismut .68 Geschoss: 8,5g

Grimburg Less Lethal .68 Geschoss: 7,8g
Rubberball .68: 3 - 6 g
Glasbreaker .68: 5,8 g
Reball Übungsgeschosse: 3g
Plastikgeschosse: 3 g
Paintball: 2-3 g


Das soll einen groben Überblick über die mögliche Wirkung dieser Waffen geben und dabei helfen Internetvideos einzuordnen, bei denen Gummigeschosse eingesetzt werden. Es zeigt aber auch, dass Behörden erfolgreich Waffen einsetzen deren Energie mit der des Tippmann TCR, oder anderer Paintballwaffen, vergleichbar ist.
 

Diese empfohlenen Einstellungen der Geschossgeschwindigkeit stammen aus der Anleitung der Pepperball Custom SX, die auf der Tippmann 98 Custom basiert.
Diese empfohlenen Einstellungen der Geschossgeschwindigkeit stammen aus der Anleitung der Pepperball Custom SX, die auf der Tippmann 98 Custom basiert.
Diese Tabelle von Umarex zeigt das Gewicht und die genaue Bezeichnung der unterschiedlichen Geschosse.
Diese Tabelle von Umarex zeigt das Gewicht und die genaue Bezeichnung der unterschiedlichen Geschosse.

Passende Videos

Und hier seht Ihr das Werbevideo für das FN 303 und die 303 P: